Ich scheiß auf alle. Und das sei mein letztes Statement im Falle, daß Ihr's schafft und ich mir Blei in den eigenen Schädel knalle. Mein Mädel und alle können's nicht begreifen, mein Atem weicht, ich spür den Geist entgleiten, Ende meiner Zeiten, tot am Seitenstreifen. Mein Baby weint, weil ich im Streit ging, hat mich verlassen, weil mein dummes Verhalten einfach zu weit ging. Doch das war nicht der Grund, ich würd's ihr gerne sagen, doch meine Stimme ruht im Graben, während Engel mich zu Sternen tragen. Es war genau wie sie's im Fernsehen sagen, sah mich selbst vor fernen Jahren, vier oder fünf war ich wohl, doch schwer zu sagen. Als kleiner Knabe hatte ich schwer zu tragen: erklär' nem Kind mal was es heißt, wenn Dir falsche Freunde das Herz zerschlagen. Wollte mit Euch spielen und dabei sein, ein Teil vom Spaß sein, doch gab's keinen von Euch der mich ließ, und so saß ich Tag's heim. Ihr draußen unterwegs, ich drinnen und las Geschichten, vergaß meine Pflichten, viel zu beschäftigt mich aus der Welt zu flüchten. Hab nur in Phantasie Landen gelebt, verstand Euch nie: Wie kann man so blind sein, wenn tief in einem die ganze Antwort liegt? Doch durch schneiden habt ihr mich wissen lassen, daß Ihr es liebt mich zu hassen, legt jeden Funken von Grips zu meinen Lasten. Scheiß drauf. Ich bin zu Hause, mach den Schrank auf, greif zu dem Seesack unterm Restmüll und hol die Pump raus. Ich dachte nie, daß sie mir irgendwie nützlich ist, nur gekauft, weil mit den richtigen Connections sowas günstig ist. War nur 'n Sammlerstück, wollt' ich schon längst verscherbeln, billig loswerden, da bemerk' ich, daß beide Läufe leer sind. Kein Problem, wo ist mein Telefon? Such mir die Nummer von Erkan's Sohn aus dem Filofax raus, der regelt's schon. 2 Stunden später, hab gekauft was ich brauch: ne Patrone für jeden Lauf, von der eine mir schon das Leben raubt. Nicht nachdenken, das Auto vom Parkplatz lenken, links wenden, tief in Gedanken in Richtung Heide schwenken. Ich fühl ich hab nichts mehr zu tun oder sagen, wer noch Fragen hat hört die Platten, ich scheiß' drauf und park den Wagen. Hör meinen Onkel noch reden, erkenn' den Sinn im Tip: Plazier' die Knarre haargenau unter'm Kinn. Form mit Mund und Gaumen, Zunge nach unten 'nen Hohlraum, das Geschoß hat dann mehr Platz, um das Gehirn zu zerstäuben. Blitzlicht vor meinen Augen – als meine Finger den Abzug drücken: Filmische Episoden von Lebensabschnitten, rasche Schnitte, Haschisch, Schnitten, Parties, Vater, Mutter im Todeskampf, große Angst, Freundin, Enttäuschung, Dämon, gelobtes Land. Der Himmel kommt, Streicher und Harfen, Geister die sprachen, doch plötzlich das Ende: Stille – dann Aufruf: Ich soll noch warten. Ich spür mich wieder, Tränenstöße strömen durch Augenlider, auf und nieder, Atmung und Brustkorb synchronisierbar. Mein Herz pumpt Blut durch mein Nervensystem wie immer, wag schließlich den ersten Blick in die Welt und erkenn mein Kinderzimmer. Zwölf Jahre alt und schon prophetisch geträumt. Ab heute ändert sich mein Leben. Für mich. Mit oder ohne Euch.
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